Liebe, Lust und Blasphemie: die neue „Jüdische Literatur“ ist da

18. März 2010 § Ein Kommentar

Heute erscheint pünktlich zur Leipziger Buchmesse die Literaturbeilage der Jüdischen Allgemeinen, die ich konzipiert und redigiert habe. Darin schreibt Marko Martin über Kati Marton, Hannes Stein über Meir Shalev, Sabine Pamperrien über Iris Hanika, Ingo Way über Philip Roth, Jörg Sundermeier über Benjamin Stein, Ayala Goldmann über Jacques Chessex, außerdem gibt es neue Bücher von Georg Kreisler, Asaf Schurr, Fritz Stern, Avi Primor, Shel Silverstein, Michel Bergmann, Josh Bazell, Yishai Sarid u.v.m. Eine Kostprobe findet sich hier, der Rest am Kiosk.

Zitat des Tages

11. August 2009 § Hinterlasse einen Kommentar

Der Endkampf zwischen Säkularen und Religiösen – er findet wohl nur in den Wunschträumen jener statt, die nichts so sehr hassen wie ein nach wie vor berückend widersprüchliches, heterogenes Israel.

(Marko Martin: Vitales, freies Tel Aviv)

Der Vatermord, der die Falschen traf

6. März 2008 § Hinterlasse einen Kommentar

Marko Martin erinnert an eine freiheitliche Tradition, die mit der Reeducation, verkörpert nicht zuletzt durch jüdische Remigranten, die keine Nachhilfe in Sachen Antifaschismus brauchten, nach Deutschland kam und durch die Arroganz und Aggressivität der Neuen Linken um 68 in Vergessenheit geraten ist: den liberalen Antitotalitarismus.

Wer sich in Archive begibt, um langjährige Interpretationen – sprich: Lebenslügen – mit historischen Quellen und Primärtexten abzugleichen, gerät leicht in den Ruch des Besserwissers, Nachtreters, ja des Denunzianten. Zuletzt hatte der Historiker Götz Aly diese Erfahrung machen müssen, als er für sein Buch „Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück“ recherchierte und zum argen Verdruss seiner ehemaligen Genossen so manch teutonisch unappetitliches Schriftstück zutage förderte, welches das bis heute wirkungsmächtige Selbstbild der 68er als liberal-libertäre Modernisierungs-Avantgarde gründlich konterkarierte.
(In Antiquariaten lassen sich) Exemplare der liberalen Kulturzeitschrift „Der Monat“ finden, die 1948 auf Initiative der Amerikaner gegründet worden war, um den desorientierten Nachkriegsdeutschen angelsächsische Demokratietradition näher zu bringen, aber auch jene urbane Moderne-Neugier und den Antitotalitarismus, den die einst von Hitler vertriebenen Intellektuellen im Gepäck hatten: Hannah Arendt, Franz Borkenau, Arthur Koestler, Manés Sperber, Hans Sahl, Walter Mehring oder Hilde Spiel. …
Im damals noch viel gelesenen „Monat“ jener Jahre zu schmökern, bedeutet nichts Geringeres, als sich von einer Legende zu verabschieden: Denn ja – es passte sehr wohl ein gewichtiges Blatt zwischen „Bild“-Schlagzeilen einerseits und SDS-Verlautbarungen andererseits. Und nein – es waren weder allein knarzige Altreaktionäre, welche die Studentenbewegung damals kritisierten, noch windelweiche Fellow-Traveller, die gleichzeitig so manchen Aspekt des Protestes für legitim und zukunftsweisend hielten. … Was, fragt man sich im Rückblick, hätte daraus für ein spannendes Generationsgespräch werden können!

Bereits zwei Jahre zuvor, im November 1966, hatte Hellmut Jaesrich an gleicher Stelle warnend zu bedenken gegeben: „Die blinden Eiferer der 50er-Jahre sind durch genauso blinde Eiferer mit umgekehrter Front abgelöst worden. Damals glaubten alle naiven Gemüter, wenn etwas schiefgegangen war, könne es nur an den bösen Kommunisten liegen. Heute glaubt dieselbe Art von Menschen, alles wäre leichter, wenn nicht überall die bösen Antikommunisten steckten und die braven Geister in ihrer Arbeit behinderten.“
Freilich hatte der „Monat“ – selbst zu ideologischen Hochzeiten – nie einen derlei kollektiv brabbelnden Sonntagsreden-Antikommunismus gepflegt, sondern stets die Fahne individueller Selbstreflexion hochgehalten. Es zählt zu seinen tragischen, letztlich aber auch sympathischen Irrtümern, dass man glaubte, ein solch kohärenter und dazu biografisch beglaubigter Antitotalitarismus müsse als Grundkonsens doch weiterhin unbestritten bleiben.

… Einer, der dies mit Sorge sah, war überraschenderweise – Günter Grass …: „Zwar müssen Mao, Marx und Marcuse die Zitate hergeben, doch mir will es vorkommen, als versuche sich wieder einmal der deutsche Idealismus mithilfe des Studentenprotestes zu regenerieren. Denn woher kommt diese Sucht, Bilder als Vorbilder und die rote Fahne als Wert an sich durch die Straßen zu führen? Der tote Revolutionär Che Guevara als Pin-up … Woher kommen diese Alles-oder-nichts-Forderungen, wenn nicht aus der gutgedüngten Kleingartenerde des deutschen Idealismus?“ Und beinahe prophetisch den kommenden Weg Horst Mahlers von SDS zu RAF zu NPD antizipierend: „Wer gestern noch seine schönpolierte Musiktruhe mit der Internationalen bediente, wird morgen Götterdämmerung auflegen und dem Urraunen lauschen wollen.“
… Politischer Liberalismus in den Jahren um 1968 reimte sich keineswegs nur auf den Namen FDP und verstand es, auf hohem intellektuellem Niveau Debatten zu führen. … Genutzt hat es freilich nicht viel. All die ideologische Wirrnis, die man mitsamt ihrem machttechnischen Mörder-Hintergrund jahrzehntelang von allen Seiten beleuchtet hatte, begann nun als „frenetischer Meinungssuff“ (Manés Sperber) erneut in beträchtlichem Maße junge Köpfe zu vernebeln. Vielleicht aber hätte „Der Monat“ ohnehin keine Chance mehr gehabt. Vermutlich hatte die gängige Rede vom „unausweichlichen Generationenkonflikt“ ja vor allem diesen deprimierend darwinistischen Kern: Die Alten mussten weggebissen werden.

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